Parkplatzunfälle und Rückwärtsausparken – Was Autofahrer wissen sollten
Gerade in der hektischen Vorweihnachtszeit, aber auch zu anderen Zeiten kann es auf Parkplätzen und in Parkhäusern von Einkaufszentren oder Innenstädten schnell chaotisch werden. Während es meist ohne größere Vorfälle bleibt, kommt es doch immer wieder zu Unfällen, insbesondere durch eilende Autofahrer bei der Parkplatzsuche oder beim Ausparken.
Doch welche Regeln gelten eigentlich beim Rückwärtsausparken, und wie schnell darf in einem Parkhaus gefahren werden?
Rückwärtsausparken – Besondere Vorsicht ist geboten!
Das Rückwärtsausparken erfordert höchste Aufmerksamkeit. Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) darf dabei kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt werden. Gerichte ziehen zur Beurteilung solcher Fälle regelmäßig § 9 Abs. 5 StVO heran, der eine besondere Sorgfaltspflicht für Rückwärtsfahrende vorschreibt (BGH, Urt. v. 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15).
Besonders relevant ist der sogenannte Anscheinsbeweis: Passiert eine Kollision während des Rückwärtsfahrens, spricht ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall (mit-)verursacht hat (BGH, Urt. v. 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16). Das bedeutet, dass Rückwärtsfahrende in der Regel beweisen müssen, dass sie nicht schuld am Unfall sind.
Eine Ausnahme gilt für Fahrzeuge, die seitlich aus Parkbuchten herausfahren. Hier greift nicht die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO, sondern lediglich die allgemeine Rücksichtnahmepflicht nach § 1 Abs. 2 StVO (OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.05.2004, Az. 1 Ss 182/04).
Was gilt bei einer Kollision zweier rückwärtsfahrender Fahrzeuge?
Kommt es zu einem Unfall, während zwei Fahrzeuge gleichzeitig aus gegenüberliegenden Parklücken zurücksetzen, bedeutet das nicht zwangsläufig eine hälftige Haftungsverteilung. Die genaue Schuldfrage hängt von den individuellen Umständen ab. Hier lohnt es sich, eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Tankstellen sind keine Parkplätze
Ein Sonderfall besteht auf Tankstellengeländen. Wer an einer Zapfsäule rückwärtsfährt und dabei mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, muss sich nur einen einfachen Sorgfaltsverstoß vorwerfen lassen. Denn der Hauptzweck des Fahrens auf einer Tankstelle ist nicht das Parken, sondern das Ansteuern von Zapfsäulen oder anderen Einrichtungen (OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2006, Az. Ss (OWi) 650/06).
Kann eine Rückfahrkamera entlasten?
Rückfahrkameras sind nützliche Hilfsmittel, ersetzen jedoch nicht die volle Sorgfaltspflicht des Fahrers. Sie erleichtern das Manövrieren, bieten aber keinen vollständigen Überblick über den rückwärtigen Verkehrsraum. Wer sich ausschließlich auf die Kamera verlässt, riskiert daher eine Mitschuld.
Selbst wenn die Kamera eine Vogelperspektive anzeigt, bedeutet dies nicht automatisch ein erhöhtes Mitverschulden. Der Unfallgegner muss nachweisen, dass eine ungeeignete Kameraeinstellung gewählt wurde, um eine Mitschuld zu belegen.
Die zulässige Geschwindigkeit auf Parkplätzen
Auf Parkplätzen ist mit ein- und ausparkenden Fahrzeugen zu rechnen. Autofahrer auf den Fahrgassen müssen daher besondere Rücksicht nehmen. Grundsätzlich gilt Schrittgeschwindigkeit, was je nach Gerichtsurteil zwischen 4 und 7 km/h entspricht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017, Az. I-1 U 97/16). Wer schneller fährt, kann bei einem Unfall haftbar gemacht werden.
Auch Baggerfahrer müssen besondere Rücksicht nehmen
Selbst auf Betriebsgeländen gelten strenge Sorgfaltspflichten. Wird ein Bagger rückwärts gefahren und sind andere Verkehrsteilnehmer nicht ausgeschlossen, müssen die Kardinalpflichten des § 9 Abs. 5 StVO beachtet werden (OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2024, Az. 7 U 150/23).
Fazit
Die Rechtsprechung zu Parkplatzunfällen zeigt, dass auf Parkplätzen besondere Vorsicht geboten ist. Wer rückwärts ausparkt oder auf einer Fahrgasse unterwegs ist, trägt eine erhöhte Verantwortung. Bei einem Unfall ist die Schuldfrage oft komplex und nicht immer eindeutig. Autofahrer sollten sich daher nicht zu vorschnellen Schuldeingeständnissen verleiten lassen, sondern sich im Zweifel rechtlich beraten lassen.