1. Die geltende Fahrerhaftung und die hieraus resultierenden Folgen
In Deutschland gilt das rechtliche Prinzip der sogenannten Fahrerhaftung. Dies meint, dass der Fahrer des Kraftfahrzeuges auch für sein eigenes Fehlverhalten im Straßenverkehr verantwortlich ist und deshalb auch dieser im Falle des Begehens von Ordnungswidrigkeiten wie etwa Geschwindigkeits-, Abstands-, oder Rotlichtverstößen sanktioniert wird. Nur in Ausnahmefällen, wenn etwa der Fahrer, der das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt, seitens der zuständigen Behörde nicht ermittelt werden kann, kann auch der Halter des Fahrzeugs zur Verantwortung gezogen werden.
Aus diesem Grunde spielt die Identitätsfeststellung, dass der von der zuständigen Behörde ermittelte Fahrer zum Tatzeitpunkt und der auf dem Foto des bußgeldrechtlichen Bescheids abgebildete Fahrer identisch sind, eine entscheidende Rolle. Sie eröffnet dem Rechtsanwalt eine vorgelagerte effektive Verteidigungsmöglichkeit, sodass es im Falle der nicht erfolgreichen Identitätsfeststellung der Behörde schon zu der Einstellung des Verfahrens gegen den Betroffenen kommt, ohne das der begangene Verstoß selbst noch geprüft werden muss.
2. Die rechtlichen Anforderungen an die Identitätsfeststellung
Das in der Ermittlungsakte der Behörde enthaltene Beweisfoto muss dem Grunde nach geeignet sein, eine Identifizierung des verantwortlichen Fahrers des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Messung zu ermöglichen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 19.12.1995 – BGHSt. 41, 376 – entschieden. Ist daher beispielsweise das Fahrerfoto gänzlich verpixelt und sind die der Unterscheidung dienenden Gesichtsmerkmale des Fahrers nicht bzw. nicht ausreichend zu erkennen, so ist das Verfahren gegen den Betroffenen einzustellen.
Die Feststellung der Identität des Fahrers zum Tatzeitpunkt darf auch nicht aufgrund der bestehenden Eigenschaft als Halter des Fahrzeugs erfolgen. Die Feststellung des Fahrers hat nämlich eindeutig zu erfolgen, sodass nicht ausreichend ist, dass es lediglich wahrscheinlich ist, dass der Betroffene Fahrer des gemessenen Fahrzeugs gewesen ist.
3. Das anthropologisch-biometrische Identitätsgutachten
Werden die unter 2. dargestellten rechtlichen Anforderungen nicht eingehalten, so wird der erfahrene Rechtsanwalt im Verkehrsrecht darauf bestehen, ein sogenanntes anthropologisches-biometrisches Identitätsgutachten einzuholen.
Anthropologisch-biometrische Identitätsgutachten sind forensische Gutachten, die darauf abzielen, die Identität einer Person anhand anthropologischer und biometrischer Merkmale zu bestimmen. Anthropologische Merkmale beziehen sich auf die physischen Eigenschaften eines Individuums, wie zum Beispiel die Gesichtsform des Betroffenen.
Biometrische Merkmale beziehen sich auf messbare und einzigartige biologische Merkmale, die zur Identifikation einer Person verwendet werden können, wie beispielsweise Fingerabdrücke.
Diese Gutachten werden in rechtlichen Verfahren wie insbesondere dem Bußgeldverfahren als Beweismittel verwendet, um die Identität einer Person zu bestätigen oder zu widerlegen. Der erfahrene Rechtsanwalt im Verkehrsrecht wird das Gutachten zu dem Zweck einsetzen, dass der Beweis erbracht wird, dass der Betroffene und der auf dem Foto abgebildete Fahrzeugführer personenverschieden sind, damit das Verfahren gegen seinen Mandanten eingestellt wird.
4. Die weiteren rechtlichen Folgen
Grundsätzlich kann der Betroffene im Bußgeldverfahren vor Gericht durch seinen Rechtsanwalt vertreten werden und muss persönlich nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen, sofern der erfahrene Rechtsanwalt im Verkehrsrecht nicht aus bestimmten Gründen seinem Mandanten ausdrücklich dazu rät.
Soll jedoch die nicht korrekt erfolgte Identitätsfeststellung seitens des erfahrenen Rechtsanwalts gerügt werden, so muss der Betroffene in jedem Falle an der Hauptverhandlung persönlich den Termin gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt wahrnehmen. Dies resultiert daraus, dass das zuständige Gericht den Betroffenen selbst in Augenschein nehmen möchte, um die Identitätsfeststellung vorzunehmen.
Der Mandant ist zudem von seinem Rechtsanwalt im Verkehrsrecht darauf hinzuweisen, dass bei einer nachweislich bewusst falschen Angabe eines anderen Fahrers die Einleitung eines Strafverfahrens wegen falscher Verdächtigung drohen kann.